Experten teilen Ihr Know-How
In unserer Interview-Reihe „Fünf Fragen an“ stehen Experten zu den Themen „Collaboration“, „digitale Zusammenarbeit“ und „New Work“ Rede und Antwort mit Tipps, Erfahrungen und einem Blick in die Zukunft.
Heute im Gespräch: Karsten Kossatz. Er ist Serial Entrepeneur und New-Work-Experte. Zuletzt gründete er zusammen mit Erik Müller independesk, eine Plattform zur Vermietung von verfügbaren Räumlichkeiten für die Arbeit von überall.
factro: Was sind für Dich die entscheidenden und unmittelbaren Mehrwerte digitaler Zusammenarbeit? Warum sollten Unternehmen und Organisationen dieses Thema besser sofort als später angehen?
Karsten Kossatz: Die Corona-Krise ist das beste Beispiel dafür, wieso die Digitalisierung von Unternehmen und Organisationen von so großer Wichtigkeit ist. Quasi über Nacht wurden ganze Teams und sogar komplette Firmen ins Home Office geschickt. Es hat sich gezeigt, dass dies zwar machbar ist, aber mit einer längeren Vorbereitungszeit wäre vieles einfach besser gelaufen.
Es zeigte sich aber davor schon, dass die Arbeit an einem festen Arbeitsplatz einfach nicht mehr zeitgemäß ist und remotes Arbeiten immer mehr zugenommen hat. Heutzutage ist es wichtig, eine gute Work-Life-Balance aufrecht erhalten zu können – das scheitert schon daran, wenn ich einen täglichen Arbeitsweg von über zwei Stunden habe. Auch schaden wir mit der ständigen Pendelei unserem Klima und tragen aktiv zum Klimawandel bei.
factro: Wenn ich Teamarbeit digitalisieren möchte, komme ich an Tools und Apps nicht vorbei. Worauf muss ich bei der Auswahl der richtigen Lösungen besonders achten? Was ist nur Kosmetik?
Karsten Kossatz: Es gibt viele gute Tools, die kostengünstig zu erhalten sind. Am Anfang recherchiere ich dazu, vergleiche und teste 2-3 davon aus. Viele bieten auch eine kostenlose Probeversion an. Man muss sich dabei immer vor Augen halten, was man braucht und von dem Tool erwartet. Es ist immer toll, ein Tool oder eine App zu haben, die mir ein 360°-Angebot liefert, aber eigentlich brauche ich 90 % davon gar nicht.
Das ist dann rausgeschmissenes Geld. Was ich z. B. von einem Projektmanagement-Tool erwarte, ist eine gute Übersicht. Wenn ich mir darin als Extra noch Grafiken oder Tabellen erstellen lassen kann, ist das schon cool, aber ich brauche es nicht für meine tägliche Arbeit – ein anderer aber schon. Es hängt immer davon ab, was der Nutzer in seinem Alltag braucht. Deswegen ist es wichtig, sich vorab mit den eigenen Anforderungen an das Tool auseinanderzusetzen.
factro: Was ist Deiner Ansicht nach die größte Herausforderung bei der Einführung eines Collaboration Tools?
Karsten Kossatz: Wir haben mit vielen Collaboration Tools bei uns gearbeitet und jeder hat seine eigenen Präferenzen – sei es, dass das eine zu simpel oder das andere zu komplex und daher verwirrend ist. Sobald man sich auf ein Tool geeinigt hat, sollte man vorab entscheiden wie und wozu man es nutzen will.
Das erleichtert den Start und man fühlt sich nicht von den ganzen Möglichkeiten des Tools erschlagen. Wir geben unseren Mitarbeitern dann immer auch eine kleine Einführung des Tools vor Ort oder als PDF, damit auch direkt Fragen dazu geklärt werden können.
factro: Kein Tool ersetzt ein starkes Team. Wo stößt Software an Grenzen?
Karsten Kossatz: Den zwischenmenschlichen Kontakt kann kein Tool ersetzen. Deswegen ist es so wichtig – wenn es keine Möglichkeit des persönlichen und direkten Austausches gibt –, den Chat zu verlassen und einen Videocall zu führen. Es geht viel in einem Gespräch verloren, wenn man die Gesten und Mimik des Gegenüber nicht mitbekommt. Ausschließlich über Chat-Unterhaltungen zu kommunizieren kann zu Missverständnisse führen, die wiederum Frustration aufkommen lassen.
Viele in meinem Team haben angefangen, sich auf einen virtuellen Kaffee zu treffen – das ersetzt mehr oder weniger die kleine Pause zwischendurch und stärkt das Teamgefühl. Einsamkeit und keine persönliche Verbindung zu haben, sind schlecht für ein Team. Viele, die nur aus dem Home Office heraus arbeiten, fühlen sich isoliert, ihnen fehlt der direkte Austausch und Kontakt. Es gibt Tools wie independesk, die diesen Aspekt überbrücken können und helfen, einen Ort des Austausches und eine Community zu schaffen.
factro: Was macht einen Digital Leader aus und welche Kompetenzen muss er/sie mitbringen oder entwickeln?
Karsten Kossatz: Wichtig ist es für einen Digital Leader, die Kommunikation im Team aufrecht zu erhalten – sowohl untereinander als auch mit ihm. Nichts ist frustrierender für ein Teammitglied, als sich ausgeschlossen oder “vergessen” zu fühlen. Regelmäßige Feedbackrunden und die Besprechung von Zielen sind wichtig.
Ich halte nichts davon, jede Minute des Tages meiner Mitarbeiter zu tracken. Ich vertraue meinen Leuten. Was ich auch lernen musste: Loszulassen und nicht über alles den Überblick behalten zu wollen, das funktioniert in einer remoten Arbeitssituation nicht und sorgt nur für unnötigen Stress bei allen.
Über Karsten Kossatz:
Karsten Kossatz ist Serial Entrepreneur mit über 10 Jahren Führungserfahrung. Begeistert von Ideen, die die Welt verändern, und getrieben von den sich rasant wandelnden Rahmenbedingungen, in denen wir leben, entwickelt er mit seinem Team Lösungen für das Arbeiten und Leben von Morgen. Neben der Leitung der eigenen Marketing-Agentur PLAIN, leitet er ein Coworking “Nordlichtstudios” und entwickelte 2019 einen mobilen Konferenzraum, die Outside Society, mit der Arbeiten mitten in der Natur möglich ist.2020 gründete er zusammen mit Erik Müller die Firma independesk, eine Plattform über die verfügbare Flächen (einzelne Desks, Büros, etc) tagesaktuell vermietet und von Nutzern direkt und flexibel gemietet werden können. Die App steht sowohl im Google Play Store als auch im Apple App Store zum Download zur Verfügung.