Fünf Fragen an Eike Venzmer

von | 11.11.2020

Eike Venzmer im Interview

Experten teilen Ihr Know-How

In unserer Interview-Reihe „Fünf Fragen an“ stehen Experten zu den Themen „Collaboration“, „digitale Zusammenarbeit“ und „New Work“ Rede und Antwort mit Tipps, Erfahrungen und einem Blick in die Zukunft.

Heute im Gespräch: Eike Venzmer. Er ist Berater für IT und Projektmanagement. Derzeit widmet er sich pm-tools.info, einer Informationsplattform zum Thema Projektmanagement-Software.

factro: Was sind für Dich die entscheidenden und unmittelbaren Mehrwerte digitaler Zusammenarbeit? Warum sollten Unternehmen und Organisationen dieses Thema besser sofort als später angehen?

Eike Venzmer: Früher wurden Projektteams einfach zusammengesetzt und das Projekt hat davon profitiert, dass die Wege kurz sind. Wer vor Ort war, wusste Bescheid. Ganz so einfach ist es heute in der globalisierten Welt nicht mehr. Wir sehen den anhaltenden Trend zum dezentralen Arbeiten; Teammitglieder sind im Büro, Mitarbeiter bleiben remote zu Hause und Andere arbeiten einfach vom zweiten Unternehmensstandort. Wer in Zukunft Remote Work nicht ernst nimmt, wird wenig Akzeptanz bei den Mitarbeitern haben.

Aus meiner Sicht können die meisten Unternehmen die Herausforderung einer guten Zusammenarbeit heute nur mit digitalen Mitteln meistern. Wenn sich Unternehmen nicht umstellen, kommt es zu Problemen im Projekt. Mitarbeiter sind nicht informiert, es fehlt an Tranzparenz und im Endeffekt können Projekte dadurch in Schieflage geraten und sogar scheitern.

Mit digitaler Zusamenabeit ist aber nicht die Email gemeint, die schnell unübersichtlich wird („RE: AW: RE: AW: RE: AW Eine kurze Frage zu XY“). Es sind spezialisierte Tools gemeint, die dem Unternehmen in einem oder sogar allen Bereichen weiterhelfen können.


Kollaboration und Analyse durch zwei Geschäftsleute, die im Büro zusammenarbeiten

factro: Wenn ich Teamarbeit digitalisieren möchte, komme ich an Tools und Apps nicht vorbei. Worauf muss ich bei der Auswahl der richtigen Lösungen besonders achten? Was ist nur Kosmetik?

Eike Venzmer: Die Einführung eines Tools oder einer App setzt zunächst eine Anforderungsanalyse voraus. „Was möchte ich in meinem Unternehmen mit diesem Tool bezwecken? Möchte ich alle Prozesse bei einem Dienstleister von Angebot bis zum abgeschlossenen Projekt abdecken? Ist das Tool nur für die Kernbereiche in der Projektarbeit gedacht?“

Je nach Unternehmensgröße macht es Sinn, mögliche Tools zunächst im kleinen Projekt zu testen. So evaluieren Sie, ob dieses den Anforderungen genügen. Wenn Sie mit einem bestimmten Tool viel Zeit sparen können, rechnet sich dann auch die höhere finanzielle Ausgabe.


factro: Was ist Deiner Ansicht nach die größte Herausforderung bei der Einführung eines Collaboration Tools?

Eike Venzmer: Natürlich ist die Auswahl des richtigen Tools bereits eine schwierige Aufgabe. Mit einem neuen Tool müssen Sie zusätzlich Ihre Prozesse anpassen.

Aber es reicht nicht aus, das neue Tool einfach den Mitarbeitern vorzusetzen. Die Einführung von Software bedeutet zunächst einmal Aufwand – auch im Team. Damit ist es immer auch ein Change Prozess, der begleitet werden muss. Sie müssen Akzeptanz in Ihren Teams fördern und die Vorteile aufzeigen. Wie bereits angemerkt ist ein Beispielprojekt eine gute Herangehensweise dafür. Nur mit der Zustimmung Ihrer Mitarbeiter werden Sie nach einer Übergangszeit von den Mehrwerten der digitalen Zusammenarbeit profitieren können.


Projektteam bei Brainstorming

factro: Kein Tool ersetzt ein starkes Team. Wo stößt Software an Grenzen?

Eike Venzmer: Auch in Zeiten von künstlicher Intelligenz gilt noch der Spruch „A fool with a tool is still a fool“. Es gibt verschiedene Aspekte, die es hier zu beachten gilt.
Zum einen sollten die grundlegenden Regeln für die Nutzung vom Team akzeptiert sein. Was passiert eigentlich, wenn im Tool ein Termin festgelegt wird und sich keiner daran hält? Wann werden Aufgaben erstellt und wer pflegt das Tool? Gibt es einen Verantwortlichen oder ist es das gesamte Team?

Auch das Vertrauen zum Team ist wichtig. Die Nutzung einer Software verleitet manche Manager zu Mikromanagement, da alle Informationen dauerhaft einsehbar sind. Das Resultat – manches Teammitglied arbeitet dann lieber außerhalb des Tools, um sich der Kontrolle zu entziehen. Da wären wir wieder bei der Akzeptanz im Team.


factro: Was macht einen Digital Leader aus und welche Kompetenzen muss er/sie mitbringen oder entwickeln?

Eike Venzmer: Es gibt verschiedene Strömungen in der Gesellschaft, welche die Anforderungen an eine digitale Führungskraft mit sich bringen.

  • Die dienende Führung wird durch agile Methoden immer weiter verbreitet und ersetzt die disziplinarische Führung. Hier gilt es sich mit neuen Wertesystemen auseinanderzusetzen (agile Werte).
  • Remote-Arbeit tritt in den Vordergrund und es gibt Teams, die sich noch nie persönlich getroffen haben. Als Führungskraft sollte man nicht nur die genutzten Systeme beherrschen, sondern auch einen persönlichen Zugang zu jedem Teammitglied aufbauen können.
  • Gerade wenn mehrere Generationen zusammenarbeiten, sind diese unterschiedlich durch die Digitalisierung geprägt. Auch hier ist die soziale Kompetenz gefragt, um voll digitalisierte Berufseinsteiger mit langjährigen Mitarbeitern, eher zurückhaltend im digitalen Bereich, zu verbinden.
  • Und zuletzt muss der Digital Leader auch neue Geschäftsmodelle verstehen und sollte sich das Ziel setzen bestehende Modelle im Unternehmen zu digitalisieren.
    Insgesamt sind die Anforderungen an die soziale Kompetenz einer Führungskraft deutlich gestiegen.

Über Eike Venzmer:

Projektmanagement und die Zusammenarbeit von Teams sind Themen, die Ihn durch seine gesamte berufliche Laufbahn beschäftigen. An der Universität hatte er sich noch eine bessere Struktur im Promotionsprojekt zu eisenbasierten Supraleitern gewünscht. Die nachfolgende Weiterbildung der Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) legte den Grundstein für eine Karriere in IT-Beratung und -Projektmanagement.

Agile Methoden, enge Zusammenarbeit von Teams und dienende Führung sind aktuell wichtige Themen. Derzeit arbeitet er an pm-tools.info, einer Informationsplattform für Projektmanagement-Software aus der Cloud. Hier finden kleine und mittlere Unternehmen eine Hilfe in der Auswahl des passenden Tools für Kollaboration und Projektplanung.

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Mahir Kulalic

Mahir Kulalic schreibt im factro Blog mit Leidenschaft für Technik, Tools und Trends. Mahir ist nicht nur Teil des factro Redaktionsteams, sondern unterstützt mit seinen factro Skills auch in unserem Produkt-Support. Im factro Blog berichtet er über die neuesten Entwicklungen auf dem Markt und teilt hilfreiche Best Practices für den operativen Alltag rund um professionelle Projektmanagement- & Collaboration-Software, Digitalisierung und virtuelle Zusammenarbeit.