Die 4-Tage-Woche in Deutschland
Work-Life-Balance ist wahrscheinlich DAS Trendwort der letzten Jahre. Doch steckt dort wirklich ein Trend dahinter oder handelt es sich dabei vielleicht um einen Wunsch nach wirtschaftlicher Umstrukturierung in der Gesellschaft?
Ein Konzept, das dabei in den letzten Jahren und Monaten immer häufiger genannt wurde, ist die 4-Tage-Woche. Unternehmen und Arbeitnehmende fragen sich, ob bei einer Verkürzung der Arbeitszeit bei gleichem Gehalt wirklich gleichbleibende Produktivität gewährleistet werden kann. Dafür spricht vor allem die Chance, gesundheitlichen Problemen durch Stress vorzubeugen und einen besseren Freizeitausgleich zu ermöglichen.
Doch ist die 4-Tage-Woche ein realistisches Modell und was spricht dafür oder dagegen? Wir gehen in diesem Artikel genauer darauf ein.
- Was ist die 4-Tage-Woche?
- Die 4DW in anderen Ländern
- Vorteile der 4-Tage-Woche
- Urlaubsanspruch 4-Tage-Woche
- So funktioniert die 4-Tage-Woche
- Tipps zur Umsetzung der 4DW
- Fazit: Weniger ist mehr
1. Was ist die 4-Tage-Woche?
Die Idee der 4-Tage-Woche (kurz: 4DW für 4 Day Week) ist die Arbeitszeit für die Arbeitnehmenden, um einen Tag zu reduzieren und somit unter anderem die Work-Life-Balance bzw. das Work-Life-Blending, ganz im Sinne von New Work, zu verbessern. Dabei gibt es verschiedene Modelle, wie sie umgesetzt werden kann: Verkürzte Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich oder mit einer Verringerung des Gehalts.
Dies ist nicht der erste Wandel in der Arbeitswelt, immerhin gibt es auch die 5-Tage-Woche erst seit Mitte der 50er-Jahre. Nach der Kampagne “Samstag gehört Vati mir” wurde die 40-Stunden-Woche eingeführt. Und bereits ab den 80ern setzte sich IG Metall für eine 35-Stunden-Woche ein. Die Forderung nach einer anderen Arbeitsorganisation ist also nicht neu und nicht nur ein Trend in der Arbeitswelt.
4-Tage-Woche: Zukunftsmodell oder Utopie?
Mittlerweile sind auch 40 Arbeitsstunden für viele Menschen nicht mehr die Norm. Die durchschnittliche vertragliche Arbeitszeit liegt bei circa 38,5 Stunden. Die Realität sieht allerdings anders aus: Durchschnittlich sind es 43 Stunden in der Woche.
Viele Angestellte wünschen sich daher ein anderes Arbeitszeitmodell. Circa die Hälfte ist für eine Arbeitszeit von 34,4 Stunden pro Woche. Auch die 4-Tage-Woche ist für die meisten ein attraktives Angebot. Dennoch gibt es gerade von Unternehmensseite Vorbehalte und Sorgen gegenüber diesem Modell. Dabei zeigen erste Versuche bereits positive Effekte für die Mitarbeitenden und Unternehmen.
2. Die 4DW in anderen Ländern
Andere Länder sind Deutschland bei der Umsetzung der 4-Tage-Woche voraus und arbeiten bereits aktiv an einer Umsetzung.
Belgien
In Belgien ist die Vier-Tage-Woche seit 2022 gesetzlich verankert, allerdings kann hierbei auch etwas vom Gehalt abgezogen oder es sollten mehr Stunden pro Tag gearbeitet werden. Es ist auch möglich, in einer Woche mehr zu arbeiten, um in der nächsten Woche mehr Freizeit zu haben.
Zu betonen dabei ist, dass dieses Modell nicht die Ursprungsidee der 4-Tage-Woche abbildet. Der Erfolg ist daher nicht so groß wie erwartet: Nur 0,5% der Arbeitnehmende haben bisher diese Regelung in Anspruch genommen.
Island
Mit einem positiveren Beispiel geht Island voran: Bei gleicher Bezahlung war es hier den Angestellten möglich, die Arbeitszeit zu reduzieren. Und das haben bereits bis zum Jahr 2023 über die Hälfte der Angestellten auch getan. Diese sind der Meinung, dass sich so Berufs- und Privatleben besser vereinbaren lassen und das weniger Stress für sie bedeutet.
Auch der Wirtschaft hat das keinen Abbruch getan, im Gegenteil: Im Jahr 2023 hatte Island eine der höchsten Wachstumsraten in Europa.
3. Vorteile der 4-Tage-Woche
Nicht nur die Arbeitnehmenden sollen von der 4-Tage-Woche profitieren, auch Unternehmen sollen gewinnen:
- Mehr Motivation: Wie Studien zeigen, kann die 4-Tage-Woche die Mitarbeitermotivation steigern. Der Grund dafür ist wahrscheinlich die verbesserte Vereinbarkeit von Freizeit und Beruf.
- Vereinfachte Mitarbeitergewinnung: Für viele Menschen ist die 4-Tage-Woche erstrebenswerter als eine Gehaltserhöhung. Mit diesem Angebot kann also durchaus das Interesse an einer Stelle gesteigert werden.
- Verbessertes Work-Life-Blending: Ein Tag mehr Freizeit trägt dazu bei, Privates und Berufliches besser zu vereinbaren und fördert so das Wohlbefinden.
- Gesundheitliche Verbesserungen: Studien haben herausgefunden, dass sich der Gesundheitszustand der Teilnehmenden wesentlich verbessert hat. Weniger Schlafprobleme und Stress haben sich bemerkbar gemacht.
- Kein Produktivitätsverlust: Entgegen der Meinung ist es nicht so, dass die weniger Arbeitszeit gleichbedeutend mit weniger Leistung ist. Motivierte Mitarbeitende können genau die gleiche Arbeitsleistung in weniger Zeit erbringen, wenn störende Zeitfresser (z.B. zu lange Meetings) wegfallen.
- Vermindertes Unfallrisiko: Durch weniger Stress steigt auch die Arbeitssicherheit: viele Fehler, die durch Fahrigkeit passieren, können so eingedämmt werden.
- Förderung von Gleichberechtigung: Obwohl es mittlerweile möglich ist länger Elternzeit zu nehmen, nehmen fast 75% der Väter gerade einmal 2 Monate Elternzeit. Mit der 4-Tage-Woche könnten besonders Mütter öfter wieder in eine Vollzeitbeschäftigung einsteigen und Väter mehr Care-Arbeit übernehmen.
- Weniger Fahrtkosten: Ein Tag der Woche ist besonders für Personen, die weite Strecken fahren müssen, eine Kosteneinsparung. Aber auch stressige Situationen wie Staus können so verringert werden.
- Stärkere Mitarbeiterbindung: Zufriedene Mitarbeitende haben weniger Gründe, sich eine neue Stelle zu suchen. Da für viele eine Work-Life-Balance sehr wichtig ist, kann dies also ein überzeugendes Argument sein, es sollte jedoch nicht das einzige sein.
Parkinson’sche Gesetz:
Das Parkinson’sche Gesetz besagt, dass sich Arbeit so lange ausdehnt, wie Zeit vorhanden ist. Wenn also durch eine 5-Tage-Woche mehr Zeit für eine Aufgabe zur Verfügung steht, wird diese Zeit auch genutzt, obwohl es in weniger Zeit machbar wäre.
Mögliche Nachteile
- Positivauswahl bei Studien: Bei den bisher durchgeführten Studien nahmen Unternehmen teil, die zu Änderungen bereit waren und die Vier-Tage-Woche nicht grundsätzlich ablehnen. Dies kann zum Teil die positiven Ergebnisse beeinflussen.
- Branchenbedingte Einschränkungen: Nicht überall ist die 4-Tage-Woche möglich. Auch wenn durch sie Berufe mit Fachkräftemangel attraktiver werden, ist sie natürlich kein plötzliches Wundermittel und gerade am Anfang mit wenig Personal nur schwer umsetzbar.
- Geringere Rentenansprüche: Bei einem 4-Tage-Modell mit gekürztem Lohn wirkt sich das auf die späteren Rentenansprüche aus, es ist also nötiger als bisher auf private Vorsorge zu setzen.
Studienlage in Deutschland
Zuletzt sorgte eine Pilotstudie der Universität Münster für Aufsehen: Insgesamt 45 Unternehmen aus Deutschland nahmen daran teil und öffneten für 6 Monate ihre Tür für die 4-Tage-Woche. Dabei waren kleine, mittlere und große Unternehmen aus den verschiedensten Branchen vertreten.
Die Gründe für die Teilnahmen waren vor allem die Steigerung der Attraktivität für (neue) Mitarbeitende, die Verbesserung von Wohlbefinden und Gesundheit der Angestellten, eine höhere Produktivität und eine zukunftsorientierte Einstellung.
Die Ergebnisse zeigten, dass die 4-Tage-Woche keine negativen Auswirkungen auf den Umsatz der Firmen hatte. Ebenfalls gab es nicht mehr Abwesenheiten als sonst. Insgesamt stieg die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, sie waren aktiver, schliefen länger und zeigten weniger Stresssymptome. Insgesamt 73% der Unternehmen möchten auch nach Beendigung der Studie die 4-Tage-Woche weiterführen. Bei den Mitarbeitenden lag dieser Anteil sogar bei 83%.
Die Hans-Böckler-Stiftung hat ein Paper mit einer Übersicht der Vorteile und der Gründe sowie Vorraussetzungen für eine verkürzte Arbeitswoche veröffentlicht. Insgesamt 96 Prozent der Befragten gaben an, das der Grund für den Wunsch nach einer 4-Tage-Woche maßgeblich mit dem Wunsch für mehr Zeit für sich selbst zusammenhängt.
👉 Hier gehts zum Paper.
4. Urlaubsanspruch 4-Tage-Woche
Viele Menschen sehen den Nachteil vor allem bei dem Urlaubsanspruch. Denn da nun aber ein Tag weniger gearbeitet wird, sinkt auch der Mindesturlaubsanspruch von 20 auf 16 Tage, da sich dieser nach der Anzahl der zu arbeitenden Tagen in einer Woche richtet.
Rechtlich bei der Vier-Tage-Woche gilt aber: Unternehmen dürfen die Arbeitszeit nicht einfach verändern. Es dürfen zwar individuelle Regelungen getroffen werden, dabei muss aber das Gleichbehandlungsgesetz eingehalten werden.
Wenn bei festgelegten Arbeitstagen ein Feiertag auf einen Arbeitstag fällt, muss dieser zudem nicht nachgeholt werden. Außerdem darf die Höchstarbeitszeit von 10 Stunden am Tag nicht überschritten werden, eine Pause von min. 45 Minuten ist dabei vorgeschrieben.
Alle weiteren Grundlagen und Rechte findest Du beispielsweise im Arbeitszeitgesetz, dem Gleichbehandlungsgesetz etc.
5. So funktioniert die 4-Tage-Woche
Die 4-Tage-Woche ist kein einheitliches Modell. Es gibt 3 Umsetzungsmöglichkeiten, die wir Dir im Folgenden vorstellen.
100-80-100
Dieses Modell beschreibt die klassische 4-Tage-Woche: Es bleibt bei 100% Gehalt, bei 80% Arbeitszeit und 100% Produktivität. Dieses Modell wird von den Arbeitnehmenden präferiert, die Hälfte der Unternehmen lehnt es allerdings ab.
Obwohl bei dieser Variante die oben genannten Vorteile wirken, gibt es auch Schwierigkeiten. So könnten sich einige Personen unter Druck gesetzt fühlen, die gleiche Leistung in weniger Zeit zu erbringen. Daher ist es wichtig, eine geeignete Strategie zu entwickeln, wie Unternehmen ihre Angestellten unterstützen können. Dies ist allerdings ein organisatorischer Aufwand, den viele Unternehmen ablehnen.
100-100-100
Bei diesem Modell wird die Arbeitszeit nicht reduziert, sondern lediglich auf die anderen Tage verteilt. Dies ist nicht nur für viele Angestellte unattraktiv, sondern kann auch rechtliche Schwierigkeiten herbeiführen. So müsste nun 10 Stunden am Tag gearbeitet werden, was zu mehr Stress und noch weniger Freizeit an den Arbeitstagen führt.
Zudem ist es wissenschaftlich erwiesen, dass die Konzentration eines Menschen nach circa 5-6 Stunden abnimmt. Auf die Produktivität würde sich dies also wahrscheinlich nicht positiv auswirken. Zusätzlich sind keine Überstunden mehr möglich, da sonst die Höchstarbeitszeit überschritten werden würde. Alles, was nicht geschafft wird, muss also liegen bleiben.
80-80-80
Bei dieser Variante wird nicht nur die Arbeitszeit um 20% reduziert, sondern auch das Gehalt. Der Nachteil hierbei ist wieder der verminderte Rentenanspruch. Zudem wird mehr Personal benötigt, wenn das Produktivitätsziel ebenfalls gesenkt wird. Ein Entgegenwirken des Fachkräftemangels ist hierbei nur bedingt das Ziel bzw. erfüllbar.
6. Tipps zur Umsetzung der 4DW
Viele Unternehmen haben Sorge vor dem Wechsel einer 5 auf die 4-Tage-Woche, nicht zuletzt wegen des organisatorischen Aufwandes. Mit einer geordneten Vorgehensweise lässt sich jedoch die Umsetzung wesentlich einfacher gestalten.
- Analyse der Arbeitssituation: Zunächst solltest Du eine Aufstellung Deiner Kapazitäten machen und identifizieren, wo eventuell ein Personalmangel herrscht oder knappe Ressourcen vorhanden sind. Auch das Festlegen der freien Tage sollte wie früh wie möglich besprochen werden.
- Optimierung von Prozessen: Wenn Du Dich für das 100-80-100 Modell entscheidest, müssen Abläufe und Aufgaben so optimiert werden, dass der Workload verringert wird. Das heißt beispielsweise ineffiziente Meetings streichen oder umzustrukturieren, Aufgaben automatisieren oder umverteilen etc.
- Digitale Tools einsetzen: Der Einsatz von digitalen Tools wie einer Projektmanagement-Software hilft dabei, Struktur und Ordnung in Dokumente und Aufgaben zu bringen. Auch die Projektdokumentation wird erleichtert – und das spart Zeit.
- Kommunikation fördern: Für ein gutes Gelingen solltest Du regelmäßig den Austausch mit den Mitarbeitenden suchen. So kannst Du herausfinden, wo es Probleme gibt und wie zufrieden sie sind. Das zeigt Dir Verbesserungsmöglichkeiten auf.
- Rechtliche Regelungen checken: Bei der 100-100-100-Variante ist es besonders wichtig, auf die Höchstarbeitszeit und Pausenzeiten zu achten. Auch Urlaubsansprüche müssen bei der 4-Tage-Woche angepasst werden.
7. Fazit: Weniger ist mehr
Die 4-Tage-Woche ist lange kein utopischer Traum mehr: Immer mehr Studien zeigen die positiven Effekte und auch Unternehmen bemerken die Vorzüge. Obwohl die Zufriedenheit, Motivation und Gesundheit der Mitarbeitenden gesteigert wird – ohne wirtschaftlichen Verlust – sind sich viele Unternehmen immer noch skeptisch und sehen vor allem in der Umsetzung eine große Herausforderung.
Die Zukunft der 4-Tage-Woche hängt vor allem von der Bereitschaft der Unternehmen ab, dieses Modell auszuprobieren. In jedem Fall setzt der Vorschlag neue Impulse und eine Diskussion über unsere Arbeitskultur in Gang.