Experten teilen ihr Know-How
Hier stehen Experten zu den Themen “Collaboration”, “digitale Zusammenarbeit” und “New Work” Rede und Antwort mit Tipps, Erfahrungen und einem Blick in die Zukunft.
Heute im Gespräch: Patrick Burghardt. Er ist Oberbürgermeister der Stadt Rüsselsheim und setzt sich dort für besonders für die Digitalisierung der Verwaltung ein.
Niels Kindl: Herr Burghardt, was hat sich in den letzten Jahren in Sachen New Work und digitale Transformation in der Öffentlichen Verwaltung getan? Und welchen Einfluss hat das auf die Art und Weise, wie Teams in Behörden zusammenarbeiten?
Patrick Burghardt: Ja, das ist eine spannende Frage. Wir hatten einen großen Katalysator und das war zweifellos die Zeit der Corona-Pandemie. Es war wichtig, dass wir stets arbeitsfähig bleiben und eine Schlüsselrolle hierbei spielte die Digitalisierung – denn Menschen müssen von überall aus arbeiten können, auch wenn sie nicht ins Büro kommen.
Besonders hier in Hessen gab es daraufhin enorme Fortschritte. Sowohl innerhalb der Landesverwaltung als auch in den Städten stand das Thema ganz oben auf der Agenda. Wir haben unsere Mitarbeiter mit Laptops ausgestattet, mobile Zugänge optimiert und neue Kollaborationswerkzeuge eingeführt. Wir haben allerdings schnell gemerkt, wo unsere Grenzen liegen, insbesondere beim Thema Datenschutz. Unser Datenschutzbeauftragter war in dieser Ausnahmesituation äußerst kooperativ. Insgesamt hat die gute Zusammenarbeit maßgeblich dazu beigetragen, einige wichtige Fortschritte zu erzielen.
Niels Kindl: Das klingt nach einer sehr effektiven Zusammenarbeit. Wie haben die Mitarbeiter auf diese Veränderungen reagiert, insbesondere auf das Homeoffice?
Patrick Burghardt: Die Mitarbeiter wurden regelrecht ins kalte Wasser geworfen, als sie plötzlich von zu Hause aus arbeiten mussten. Das war eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Selbst diejenigen, die das Homeoffice zuvor skeptisch betrachteten, wurden positiv überrascht. Sogar Ministeriumsspitzen konnten erkennen, dass es funktionieren kann. Altersunterschiede spielten dabei keine große Rolle und wir konnten sogar Qualitätsverbesserungen feststellen. Heute ist das Arbeiten von zu Hause aus ein gängiges Thema in Vorstellungsgesprächen, selbst bei Berufen wie Erziehern.
Niels Kindl: Was hat sich sonst noch verändert in Bezug auf die Arbeitsweise in der Verwaltung?
Patrick Burghardt: Eine deutliche Veränderung betrifft die Raumordnung. Die neuen Generationen legen Wert auf flexible Arbeitsplätze und möchten nicht mehr an feste Schreibtische gebunden sein. Wir haben durch diesen Wandel die Möglichkeit, flexibler zu sein und uns als modernen Arbeitgeber zu positionieren. Es ist wichtig zu erkennen, dass das digitale Zuschalten z.B. als neuer „Normalzustand“ betrachtet werden sollte.
Niels Kindl: Wer ist dieses „Wir”? Welche Rolle spielt dabei die Verwaltung selbst und wie können sich Teams und Fachbereiche anders aufstellen?
Patrick Burghardt: Mit „Wir“ meine ich die Verwaltung. Es ist entscheidend, dass Veränderungen von der Mannschaft selbst ausgehen. Die Verwaltung muss sich anpassen und dabei Instrumente bereitstellen, die diese Veränderungen unterstützen. Es geht darum, die Vorteile einer agilen, digitalen und kommunikativen Arbeitsweise aufzuzeigen.
Niels Kindl: Wie sehen Sie die Zukunft der Verwaltung in Bezug auf die Digitalisierung und den demografischen Wandel?
Patrick Burghardt: In den kommenden Jahren stehen wir vor der Herausforderung, einen erheblichen Personalmangel von etwa 300.000 Mitarbeitern in der Öffentlichen Verwaltung zu bewältigen, die nicht ersetzt werden können. Durch die Digitalisierung können wir diese Lücken füllen.
Es ist unerlässlich, Prozesse zu digitalisieren und Arbeitsabläufe zu optimieren, sowohl im Interesse der Mitarbeiterzufriedenheit als auch zum Wohle der Bürger. Neue Probleme erfordern neue Lösungen, und die Integration von Künstlicher Intelligenz kann dabei wichtig werden.
Niels Kindl: Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung der Digitalisierung?
Patrick Burghardt: Eine gewaltige Hürde wartet in der vollständigen Digitalisierung. Andernfalls riskieren wir, weiterhin auf dem Weg der analogen Prozessen zu bleiben und uns in einer Welt aus PDFs und Druckern zu verlieren. Es ist nicht ausreichend, wenn Mitarbeiter zwar ins Homeoffice wechseln können, aber immer noch mit Koffern voller Papierakten durch die Gegend laufen müssen.
Ein gutes Beispiel für einen digitalisierten Prozess ist der digitale Hundesteuer-Antrag. Es ist wenig sinnvoll, wenn der Prozess nur teilweise digitalisiert ist und der Sachbearbeiter weiterhin analoge Prozesse führen muss. Mut ist gefragt, um beispielsweise zu entscheiden, dass bestimmte Anträge nur noch digital eingereicht werden können. Diese Entscheidungen sind nicht immer populär, jedoch notwendig, und es ist entscheidend, dass sie konsequent umgesetzt werden.
In der Vergangenheit hat sich „Digital only“ bereits bewährt. Denken Sie daran, als die Studierenden eine Einmalzahlung erhalten haben – zunächst gab es einen gewaltigen Aufschrei, dass die Anträge nur online eingereicht werden konnten. Doch als das Geld nach zwei Tagen auf dem Konto war, war die Akzeptanz da.
Niels Kindl: Wie sieht ein erfolgreicher Digital Leader aus und welche Kompetenzen sollte er mitbringen?
Patrick Burghardt: Ein Digital Leader muss die Vorteile der Digitalisierung aktiv vermitteln und diesen Wandel selbst vorleben. Dabei ist es entscheidend, eine gemeinsame Sprache zu finden und die Mitarbeiter von den Veränderungen zu überzeugen, indem ihre Bedürfnisse und Herausforderungen ernst genommen werden. Letztendlich ist das Ziel, dass jeder Mitarbeiter ein gewisses Maß an Begeisterung für die digitale Transformation entwickelt und selbst ein bisschen zum digitalen Nerd wird.
Niels Kindl: Das sind wertvolle Einblicke. Vielen Dank für Ihre Zeit und das tolle Gespräch.
Patrick Burghardt: Sehr gerne.
Über Patrick Burghard
Patrick Burghard ist Oberbügermeister der Stadt Rüsselsheim im wunderschönen Hessen. In dieser Position setzt er sich für die Digitalisierung in der Öffentlichen Verwaltung ein. Vorteilhaft dabei sind dabei unter anderem seine Erfahrungen als ehemaliger CIO und Bevollmächtigter der Landesregierung für E-Government und Informationstechnologie und als Staatssekretär für Digitale Strategie und Entwicklung.